Clärenore so nahe
„Die Nacht war von phantastischer Schönheit. Der Vollmond beleuchtete silberhell die Felsenlandschaft […].Das Meer lag tiefblau in der Bucht […].
Wenn wir jetzt hier statt auf Dynamit auf der Terrasse eines großen Hotels sitzen würden und nicht im schmutzigen Arbeitsanzug, sondern im Smoking und Gesellschaftskleid an gedeckter Tafel, dann würden wir sagen:
>Wie schön ist doch das Meer und der Mond!< und >Kellner, eine Flasche Heidsieck Monopol!< So aber betrachten wir unsere schwarzgeränderten Fingernägel und spucken in den Sand.“ So beschrieb Stinnes die Nächte am Naturhafen, in denen sie auf den Küstendampfer Olga warteten.
Wir fragen uns natürlich, wie ist die Situation heute nach 88 Jahren. Steht dort heute ein großes Hotel, wie es sich Stinnes ausgemalt hatte?
Wir fragen Walter nach dem historischen Naturhafen von Atico. Dieser musste nicht lange überlegen und begleitete uns in die Bucht in der Stinnes und Söderström 4 Tage auf den Küstendampfer Olga gewartet hatten und sich ihre Zeit „[…] durch fischen mit Dynamit vertrieben.“ Hier fanden sie zu ihrer Zeit nur „einen primitiven Landungskai mit einer zerbrochenen Seilwinde“ vor.
Was wir hingegen vorfinden ist ernüchternd. Kein idylischer Ort, kein prunkvolles Hotel, sondern eine stinkende Fischfabrik.
Am Landungskai werden die Fische von den Fischtrawlern angeliefert und direkt gewaschen und gehäutet und für den Abtransport vorbereitet.
Direkt in der Bucht befindet sich auch die Produktionsstätte für Fischmehl.
Heidi und ich betrachten alles ganz genau, weil wir genau wissen, das hier Clärenore und Axel an dem kleinen Strand der Bucht gesessen und über das Leben und die weitere Reise philosophiert haben.
Wir können die begrabene Schönheit erkennen, die Clärenore in ihrem Tagebuch beschreibt und sind ergriffen, dass wir diesen Ort gefunden haben und traurig, was daraus geworden ist.
Wir fühlen uns plötzlich Clärenore so nahe, mitten in diesem Treiben und dem Gestank.
gruß Lili
Zitate aus: Söderströms Photo-Tagebuch 1927-1929/ Wolfgang Krüger Verlag/ 1981/ S.195